EU, USA und der Handelskonflikt
HENDRIK KAFSACK, WIRTSCHAFTSJOURNALIST, F.A.Z.
Der große Handelskonflikt mit den Vereinigten Staaten ist der Europäischen Union zumindest vorerst erspart geblieben. Nach dem „Deal“ zwischen dem Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump sind die angedrohten Schutzzölle auf Autos und Autoteile aus der EU vom Tisch.
Die Schutzzölle auf Stahl und Aluminium bleiben zwar bestehen, deren Folgen aber sind für die EU überschaubar. Mit besonderem Verhandlungsgeschick Junckers hat das nichts zu tun. Trump ist mit dem eskalierenden Handelskonflikt mit China ausgelastet. Zudem wuchs auch angesichts der engen Verflechtung der europäischen und amerikanischen Autoindustrie der innenpolitische Druck auf den Präsidenten, von den angedrohten Zöllen Abstand zu nehmen. So einigten sich beide Seiten am Ende auf einen klassischen „No-Deal“. Trump verzichtete auf die von ihm ohnehin nicht mehr gewollten Autozölle und die EU stellte im Gegenzug in Aussicht, mehr Sojabohnen und Flüssiggas aus den Vereinigten Staaten zu kaufen – ohne konkrete Zusagen zu machen. Die Einfuhr amerikanischer Sojabohnen steigt wegen der Folgen des Handelskonflikts zwischen den Vereinigten Staaten und China ohnehin, die Zukunft der Flüssiggaseinfuhr hängt allein an der Entwicklung der Marktpreise.
Der EU ist eine Zerreißprobe erspart geblieben. Sie war sich – entgegen aller demonstrativen Geschlossenheit – stets uneins, wie sie auf den Angriff Trumps auf die deutsche und europäische Wirtschaft auf der einen und die internationale Handelsordnung auf der anderen Seite reagieren sollte. Die Bundesregierung, allen voran in Person von Wirtschaftsminister Peter Altmaier, setzte auf Appeasement. Sie versuchte, den amerikanischen Präsidenten durch einseitige, noch dazu in der EU schlecht abgestimmte Angebote zur Senkung der Zölle auf amerikanische Autos zu beschwichtigen. Die Europäische Kommission und die französische Regierung indes setzten auf Konfrontation. Sie argumentierten, Trump verstehe die von deutscher Seite geforderte „Flexibilität“ im Umgang mit dessen Drohungen als Schwäche und werde anschließend nur weitere Zugeständnisse im transatlantischen Handel fordern. Beide setzten deshalb auf die Verhängung von Gegenzöllen auf diverse amerikanische Produkte, um Trumps Wähler direkt zu treffen und somit die Kosten für Trump nach oben zu treiben. Der öffentliche Fokus auf die für Trumps Unterstützer wichtigen Marken wie Harley-Davidson und Produkte wie Bourbon und Erdnussbutter im Streit um die Stahlzölle täuschte dabei darüber hinweg, wie schlagkräftig die Gesamtliste der Gegenzölle war.
Die Kommission führte noch ein weiteres Argument dafür an, warum die EU hohe Gegenzölle verhängen müsse: die internationale Handelsordnung. Da die von Trump unter Berufung auf die nationale Sicherheit verhängten und angedrohten Zölle auf Stahl und Autos gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) verstießen, müssten die Europäer auch deshalb mit aller Schärfe reagieren, um die nicht über eigene Reaktionsmittel verfügende Genfer Organisation zu verteidigen.
Appeasement first
"Die Bundesregierung, allen voran in Person von Wirtschaftsminister Peter Altmaier, setzte auf Appeasement. Sie versuchte, den amerikanischen Präsidenten durch einseitige, noch dazu in der EU schlecht abgestimmte Angebote zur Senkung der Zölle auf amerikanische Autos zu beschwichtigen."
Falsch waren am Ende beide Ansätze. Das Vorgehen der Bundesregierung versprach tatsächlich wenig Erfolg. Dass Trump auf einseitige europäische Zugeständnisse mit Milde reagiert hätte, ist kaum zu erwarten. Die angebotene Senkung der EU-Autozölle hätte – so die Zölle nicht auch für alle anderen Handelspartner der EU (Indien, China) gesenkt worden wären – darüber hinaus klar gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstoßen. Vor allem aber hat die Regierung mit ihrer allein auf die Interessen der deutsche Autoindustrie ausgerichteten Politik einiges Porzellan in Brüssel zerschlagen. Die Handelspolitik ist nicht ohne Grund eines der wenigen Politikfelder, die voll in die Kompetenz der EU fallen. Wie sollte der gemeinsame Binnenmarkt sonst funktionieren? Das bedeutet aber auch, dass Handelspolitik in der EU immer einen Ausgleich der unterschiedlichen europäischen Interessen voranstellen muss. Das hat die deutsche Bundesregierung, vorsichtig formuliert, versäumt.
Aber auch der Kurs der Kommission war gefährlich. Auf Zölle mit Gegenzöllen zu reagieren, barg und birgt naturgemäß die Gefahr, die Eskalation des Konflikts voranzutreiben. Das war und ist weder im Interesse der amerikanischen noch der europäischen Wirtschaft. Zudem verfängt das Argument nicht, dass die Verhängung von Gegenzöllen nötig ist, um die internationale Handelsordnung zu schützen. Das Gegenteil ist richtig. So ist nicht gesagt, dass die vom Trump verhängten Zölle überhaupt gegen die internationalen Handelsregeln verstoßen. Dass Trump die Zölle mit dem Schutz der nationalen Sicherheit begründet, ist zwar offenkundig konstruiert und eine sehr weitgehende Auslegung der entsprechenden Ausnahmeregeln der Welthandelsorganisation. Ob das ein Verstoß gegen die Regeln ist, müsste aber zunächst einmal vor der WTO in Genf geklärt werden. Deshalb ist es auch richtig, dass die EU und andere Staaten die WTO angerufen haben. Die Verhängung der Gegenzölle hingegen ist ein heikles Unterfangen. Die EU begründet diese damit, dass die amerikanischen Zölle offenkundig reine Schutzzölle sind, was nach den WTO-Regeln Gegenmaßnahmen erlaubt. Nur ist wie gesagt gar nicht geklärt, ob die WTO die amerikanischen Zölle als reine Schutzzölle einstuft – weshalb die Vereinigten Staaten auch ihrerseits gegen diese Gegenzölle in Genf vorgehen. So ist es vorstellbar, dass die WTO schließlich die Gegenzölle der EU als Verstoß gegen die Handelsregeln einstuft. Die EU hätte ihrer Glaubwürdigkeit als Verfechter der multilateralen Handelsordnung einen Bärendienst erwiesen. Deshalb hätte sie besser zunächst einen Spruch der WTO zu den amerikanischen Stahlzöllen abgewartet, bevor sie Gegenzölle verhängt.
Auge um Auge, Zoll um Zoll?
"Auch der Kurs der Kommission war gefährlich. Auf Zölle mit Gegenzöllen zu reagieren, barg und birgt naturgemäß die Gefahr, die Eskalation des Konflikts voranzutreiben. Das war und ist weder im Interesse der amerikanischen noch der europäischen Wirtschaft. Zudem verfängt das Argument nicht, dass die Verhängung von Gegenzöllen nötig ist, um die internationale Handelsordnung zu schützen. Das Gegenteil ist richtig."
Was folgt daraus, für den Umgang Deutschlands und der EU mit Trump? Schließlich kann der transatlantische Handelskonflikt jederzeit neu aufflammen. Der amerikanische Präsident bleibt unberechenbar. Letztlich bleibt der EU nur eines: Ihre in den vergangenen Jahren verfolgte handelspolitische Linie fortzusetzen. Konkret heißt das, auf die multilaterale Handelsordnung zu setzen und, weil das momentan nur eingeschränkt möglich ist, bilaterale Freihandelsabkommen voranzutreiben. An interessierten Partnern bestand auch vor der Ära Trump schon kein Mangel. Dessen Handelspolitik spielt den Europäern aber noch zusätzlich in die Hände. Das eben erst geschlossene größte Freihandelsabkommen der EU mit Japan wäre ohne Trump wohl nicht in dieser Form zustande gekommen. Der Abschluss der Gespräche mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay, mag sich schwierig gestalten. Aber mit Australien und Neuseeland stehen weitere interessante Handelspartner bereits Schlange. Auf den Konflikt mit Trump wird das kurzfristig keinen Effekt haben. Mittelfristig aber werden die Amerikaner die negativen Folgen der Trumpschen Handelspolitik zu spüren bekommen – und das dürfte den amerikanischen Präsidenten eher zum Einlenken bewegen, als alle Schritte der Europäer – ob sie sich nun anbiedern oder auf Konfrontation setzen.